Wilhelm II.

Wilhelm II.
Wilhelm II.
 
Geboren am 27. Januar 1859 als ältester Sohn des preußischen Kronprinzen Friedrich-Wilhelm, des späteren Kaisers Friedrich III., kam der Prinz als Kaiser Wilhelm II. mit 29 Jahren 1888 nach dem Tode seines Großvaters Wilhelm I. und seines Vaters auf den Thron. Obwohl er als junger Mann den Gründer des Reiches und Gestalter der deutschen Politik, Otto von Bismarck, glühend verehrt hatte, führte die Zusammenarbeit des jungen und selbstbewussten Monarchen mit dem greisen Kanzler bald zu Reibereien, die mit Bismarcks Entlassung im März 1890 endeten. Der Kaiser war entschlossen, selbst zu regieren und dem neuen Kanzler nicht mehr die Handlungsfreiheit einzuräumen, die Bismarck bei seinen Vorgängern besessen hatte. Da er jedoch im Grund unsicher war und dazu neigte, unter dem Einfluss seiner Berater spontane Entscheidungen zu treffen, ohne vorher die Meinung erfahrener Experten und Diplomaten einzuholen, erhielt die deutsche Politik bald den Anstrich des Unsteten und Unberechenbaren.
 
Anfänglich erschien der junge Kaiser den Zeitgenossen als ein Repräsentant einer neuen Zeit. Er war den Entwicklungen der modernen Technik gegenüber aufgeschlossen, erschien von sozialen Ideen erfüllt und wandte sich zunächst engagiert der Frage des erweiterten Arbeiterschutzes zu, um die Arbeiterschaft für die Monarchie zu gewinnen. Der angekündigte »Neue Kurs«, mit dem die innenpolitische Stagnation der letzten Jahre überwunden werden sollte, wurde allgemein begrüßt; das Sozialistengesetz wurde nicht mehr verlängert. Aber das echte Verständnis für die soziale Problematik und die Situation der Arbeiterschaft fehlte ihm dennoch.
 
Wilhelm II. besaß eine geradezu grotesk-altmodische, romantische Vorstellung von seiner Herrscheraufgabe, die sich bei ihm mit dem Bewusstsein paarte, anderen überlegen zu sein. Seine Vorliebe für Prunk und militärisches Gepränge, für Paraden und Manöver führte in der deutschen Gesellschaft zu einer krassen Überschätzung des Soldatentums und brachte dem Deutschen Reich den Ruf ein, eine Hochburg des Militarismus zu sein. Zu dieser Einschätzung trugen das Auftreten und die forschen Reden Wilhelms II. bei, in denen oft ein kriegerischer und säbelrasselnder Ton vorherrschte, obwohl er im Grunde seines Herzens ein friedliebender Mensch war. Mit der ihm besonders am Herzen liegenden Flotte und ihrem durch Alfred von Tirpitz betriebenen, vom Kaiser gedeckten immensen Ausbau zog sich Deutschland schließlich in seiner gefährlichen Mittellage zwischen den bereits verbündeten Mächten Frankreich und Russland auch noch die Feindschaft Englands zu. In der Julikrise 1914 ermunterte er Österreich-Ungarn, gegen Serbien als Hort der Verschwörung mit äußerster Schärfe vorzugehen, versuchte dann aber, als sich die Ausweitung zum großen Krieg anbahnte, noch verzweifelt über die »Verwandschaft der Throne« die Entwicklung zu stoppen.
 
Während des 1. Weltkrieges trat der Kaiser immer mehr in den Hintergrund, besonders seit 1916 die 3. Oberste Heeresleitung von den erfolgreichen Heerführern Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff übernommen worden war. Bei Ausbruch der Novemberrevolution 1918 (9. November 1918) riet ihm der letzte kaiserliche Reichskanzler, zurückzutreten, um die Monarchie zu retten. Aber erst, als die im Hauptquartier versammelten Armeeoberbefehlshaber ihm deutlich machten, dass das Frontheer nicht mehr hinter ihm stehen würde und nicht gewillt sei, unter seinem Kommando gegen die Revolutionäre in der Heimat zu marschieren, entschloss er sich, abzudanken und nach Holland ins Exil zu gehen. Hier lebte er bis zu seinem Tod am 4. Juni 1941, ohne auf die Entwicklung in Deutschland noch einmal Einfluss zu nehmen. Auf Geheiß Hitlers wurde Wilhelm II. in Doorn mit militärischen Ehren beigesetzt.

Universal-Lexikon. 2012.

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